Das Buxtehuder Frauenviertel

1994. Deutschland ist wiedervereinigt, der kalte Krieg scheint vorbei. Wie in vielen anderen Städten wird auch in Buxtehude ein Standort der Bundeswehr geschlossen. Für 40 Millionen DM erwirbt die Stadt die 23 Hektar große, idyllisch am Rande einer Wald- und Auenlandschaft gelegene Estetal-Kaserne im südlichen Stadtteil Altkloster. Einige der Gebäude werden als Wohnhäuser, für die Volkshochschule, den Malteser Hilfsdienst, die Sozialstation, das Technische Hilfswerk, als Studentenwohnheim oder für Gewerbezwecke hergerichtet. Der größte Teil des Geländes wird jedoch geräumt und als Neubaugebiet ausgewiesen.

Nach einem Beschluss des Rates der Stadt Buxtehude werden die Straßen des neuen Stadtviertels nach Frauen benannt, die sich im öffentlichen und politischen Leben besonders ausgezeichnet haben. Auf diese Weise entstehen die Bertha-von-Suttner-Allee entlang der ehemaligen Hauptachse, die Lina-Meyer-Straße, Elisabeth-Selbert-Straße, Käthe-Hamann-Straße, Marie-Juchacz-Straße, Marie-Elisabeth-Lüders-Straße und die Franziska-von-Oldershausen-Straße im ehemaligen Technischen Bereich, die Anne-Frank-Straße auf dem ehemaligen Sportplatz sowie die Susanna-Haunschütz-Straße und der Helga-Wex-Platz im Bereich des ehemaligen Kasinos. Einzig der am südlichen Rand gelegene ehemalige Hubschrauberlandeplatz hat schon vorher den Namen Am Klöterbusch erhalten.

Wer aber waren diese Frauen? Das Tagebuch der Anne Frank haben die meisten schon in der Schule gelesen, einige der anderen Namen sind dagegen weniger bekannt:

Anne Frank 1929-1945 im KZ Bergen-Belsen ermordete Autorin des berühmten Tagebuches aus der Zeit der nationalsozialistischen Verfolgung
Käthe Hamann 1902-1989 beliebtes Original des Buxtehuder Heimatmuseums aus Altkloster
Susanna Haunschütz          -1700 letzte Nonne des Benediktinerinnenklosters in Altkloster
Marie Juchacz 1879-1956 SPD-Politikerin und Frauenrechtlerin, Gründerin der Arbeiterwohlfahrt
Marie Elisabeth Lüders 1878-1966 Dr. rer. pol., FDP-Politikerin und Frauenrechtlerin
Lina Meyer 1895-1980 SPD-Politikerin und erste Frau im Rat der Stadt Buxtehude
Franziska von Oldershausen 1878-1934 Leiterin der Höheren Mädchenschule in Buxtehude, Bürgervorsteherin und Kinderbuchautorin
Elisabeth Selbert 1896-1986 Dr. jur., SPD-Politikerin und Frauenrechtlerin, Mitglied des Parlamentarischen Rates
Bertha von Suttner 1843-1914 Schriftstellerin, Pazifistin und erste Friedensnobelpreisträgerin
Helga Wex 1924-1986 Dr. phil., in Buxtehude geborene CDU-Politikerin und Vorsitzende der Frauenvereinigung der CDU

Nach dem bereits 1996 eingerichteten Rudower Frauenviertel im Berliner Stadtbezirk Neukölln gehört das Buxtehuder Frauenviertel zu den ersten Vierteln mit ausschließlich nach Frauen benannten Straßen in Deutschland. Heute sieht man ihm seinen Ursprung als Kaserne nur noch an wenigen Stellen wie dem historischen Torhaus zwischen Estetalstraße und Bertha-von-Suttner-Allee an. Berliner und Buxtehuder Frauenviertel haben übrigens nur einen einzigen Namen gemeinsam: den von Elisabeth Selbert, die als eine der Mütter des Grundgesetzes maßgeblich an der Festschreibung der Gleichberechtigung von Mann und Frau in Artikel 3 Absatz 2 beteiligt war.